Von Ella Sukkau aus Aachen
Heute war unser Jahrestag. Genau vor einem Jahr, in diesem Café, war unser erstes Date gewesen. Seither wusste ich, dass ihr Lieblingskuchen Käsekuchen ist, dass sie Süßigkeiten liebt, außer sie ist nervös, kitschige Liebesromane liest, genauso wie Sachbücher über die Psyche und rote Rosen ihre Lieblingsrosen, nicht Lieblingsblumen, das sind weiße Tulpen.
„Weiße Tulpen?“, ein Strahlen breitete sich in ihrem Gesicht aus, als sie, mir ihren Blumenstrauß abnahm und wir uns an einen der Tische setzten, den gleichen, wie vor einen Jahr.
„Holst du mir ein Stück Kuchen?“ Sie wusste genau, wie sie mich um den Finger wickeln konnte. Es reichte ein Lächeln von ihr und ich war verloren, alles würde ich tun für sie.
Mit einem ergebenen Seufzen stand ich auf und schlängelt mich durch die Tischreihen, die vor dem Café standen. Die altmodische Tür zum Café quietschte, mittlerweile war ich sogar der Meinung, dass es statt einer Klingel fungiert. Schließlich wurde die Tür innerhalb mindestens eines Jahres nicht geölt. Eine Junge, etwa 16, sah mir lächelnd hinter der Theke entgegen.
„Hey, könnte ich den Käsekuchen und ein Milchkaffee haben?“
„Ja, natürlich. Hier, guten Appetit, willst du gleich bezahlen, oder später?“
„Jetzt, das wäre 10,50 Euro, oder? Hier.“
„Ja, danke“
Mit dem Kuchen für sie in der linken Hand und dem Milchkaffee für mich in der rechten trat ich, begleitet von dem quietschten der Tür, hinaus in die Sonne.
Innerhalb weniger Sekunden spürte ich, dass sich etwas verändert hatte. Die Tische waren nicht mehr besetzt, bis auf einen, unseren.
Doch ich konnte sie nicht sehen, nur eine kleine Menschentraube drumherum.
Die Menschen schrien irgendwelche Wörter, die ich nicht verstand. Ich konzentrierte mich bloß auf ihre Stimme. Ich konnte nicht heraushören, was genau sie sagte, aber sie klang wütend. Und da war noch etwas anderes.
Ich beeilte ich mich, zu unserem Tisch zu kommen. Die Tasse und den Teller lies ich auf einen lehren Tisch fallen, als ich einen Schrei hörte. Ihren Schrei.
Schnell war ich an der Menschenmenge angekommen und drängte mich in den Kreis, der sich gebildet hatte.
Mein Atem stockte und mein Gesicht wurde kalt, als ich den Typen vor ihr sah.
Er hatte noch immer die Hand erhoben und plötzliche nahm ich wahr, was all die Leute um uns herum sagten.
„Schlampe!“, riefen sie. „Ekelhaft!“ und „Müll!“
Ich ignorierte Hass, der mir entgegen schlug, während meine Füße mich schon zu dem Arschloch bewegten, der jetzt sogar anfing zu spucken.
„Du kranke Schlampe küsst eine andere Frau, bist du ne Lesbe oder was? Gehörst du zu diese LGBTQ Leuten?“.
Erneut versuchte er auszuholen.
Doch ich packte sein Handgelenk, von schräg hinten, lenkte seinen Schwung nach oben, gegen ihn und drehte seinen Arm auf den Rücken. Dann schupste ich ihn von uns weg.
Was für ein Glück das wir noch letztens Selbstverteidigung in der Schule hatten.
„Die einzigen Kranken seid ihr“, schrie ich. „Was für Angsthasen seid ihr, als Gruppe eine einzige Person fertig zu machen? Was denkt ihr, wer ihr seid, wegen so etwas wie Liebe andere Leute anzugreifen?“ Ich stellte mich schützend vor sie, während der Rede hatte sie nach meiner Hand gegriffen.
Eine Frau löste sich aus der Gruppe und lief auf mich zu, hob eine Faust und zischte: „Was glaubst, du wer du …“
Doch in dem Augenblick wurde sie zurück gerissen und der Typ von hinter der Theke sowie ein paar der alten Gäste, die eben noch neben uns an anderen Tischen gesessen hatten, stellten sich zwischen uns.
Der Kreis hatte sich aufgelöst und wir standen uns gegen über wie zwei Fronten. Ich suchte ihren Blick und sah, dass Tränen sich den Weg über ihr Wangen gebahnt hatten. Mein Atem zitierte, wir hatten gewusst, dass gerade in dieser Ecke unserer Kleinstadt die Leute nicht akzeptierten, dass es mehr gab als die Norm. Doch es war unser Jahrestag und die Hoffnung war nun einmal geblieben. Aufmunternd drückte ich ihre Hand, bevor ich meinen Arm um ihre Taille legte, um ihr Halt zu geben. Grade als sich die Stimmung weiter zuzuspitzen zu drohte, dröhnte eine Stimme durch die Gasse: „Was ist hier los? “
Zwei Polizisten näherten sich uns.
Später bei unserer Zeugenaussage erfuhren sie und ich, dass die Gäste die Polizei gerufen hatten, als sie gemerkt hatten, dass sich etwas zusammenbraute. Und schnell den Cafébesitzer und Kellner informiert hatten, bevor sie uns selbst zur Hilfe geilt waren.
An diesem Tag entschieden wir, die Leute aus dem Café, sie und ich, einen Verein zu gründen.
Er würde in den nächsten Jahren wachsen, sollte Menschen mit ähnlichen Erlebnissen Raum geben und Workshops für Schulen und Firmen geben, um gegen diesen Hass vor zu gehen.
Unsere Hoffnung war noch lange nicht gestorben, allerdings nahmen sie und ich nun an einen Selbstverteidigungskurs Teil.